Georg Rogl von EY im Interview über Klimaperformance und warum der Klimawandel den Unternehmen teuer zu stehen kommt

Georg Rogl ist Senior Manager und Leiter der Abteilung Climate Change and Sustainability Services Österreich bei EY. Im Workshop Klimaschutz zum Nachhaltigkeits-Index erklärt er die Basics von unternehmerischem Klimaschutz und erläutert hilfreiche Instrumente für Unternehmen, um sich in Richtung Net-Zero zu bewegen. Als Experte in Sachen unternehmerischer Klimaperformance teilt er seine Beobachtungen aus seinem Tages- und Projektgeschäft bei EY. Und eines ist für ihn klar: Die Trendwende ist unausweichlich.

Herr Rogl, wir würden gerne auf die Grundlagen dieses spannenden Themas zu sprechen kommen. Was bedeutet Corporate Carbon Accounting und warum ist das Thema für alle Unternehmen wichtiger denn je?

Georg Rogl: Um es auf den Punkt zu bringen: Wir stehen einer großen Trendwende bevor. Wir wissen, dass die globale Durchschnittstemperatur immer weiter nach oben geht. Gleiches gilt für den Energiebedarf, obwohl wir die Emissionen dringend reduzieren müssen, um bei 1,5 oder 2 Grad durchschnittliche Erwärmung zu landen. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir allerdings wissen, wie viele Emissionen ein Unternehmen verursacht. Die teilen wir klassisch in Scope 1, 2 und 3 ein. 1 und 2 umfasst die sogenannten operativen Emissionen. Scope 1 sind damit alle Emissionen, die ein Unternehmen selbst verursacht, indem es Energie zum Beispiel in Form von Diesel oder Gas verbraucht. Scope 2 steht für die Emissionen durch den eigenen Strom- bzw. Fernwärmeverbrauch. Allerdings fallen die Emissionen hier beim Energieprovider an. Diese Daten sind meist relativ leicht zu erheben, weil die Informationen im Unternehmen aufliegen.

Schwieriger wird es dann bei Scope 3 Emissionen, die innerhalb der Wertschöpfungskette auftauchen, aber außerhalb der Organisation entstehen. Hier unterscheiden wir zwischen Upstream und Downstream. Upstream umfasst alles was in ein Unternehmen hineingeht. Das startet beim Einkauf von Rohstoffen oder Fertigprodukten, der zugehörige Transport und die Logistik oder auch die Emissionen durch Business Travel. Letzteres lässt sich noch am ehesten erheben. Im Downstream Bereich finden wir wieder den Transport bzw. die Logistik der Endprodukte. Aber auch die Emissionen, die dem Energieverbrauch bei Verwendung des Endproduktes zuzuschreiben sind bis hin zum end of life. Hier stellt sich die Frage, welche Emissionen bei der Entsorgung des Produktes anfallen. Die Ermittlung von Scope 3 Emissionen ist also sehr komplex und gelingt bisher nur in Ansätzen.

In diesem Zusammenhang sprechen wir immer von CO2-Äquivalenten. Das bedeutet, dass wir nicht nur die CO2-Emissionen zusammenfassen, sondern die anderen Treibhausgase wie zum Beispiel Kühlmittel umrechnen. Das Verständnis über all das ist der wichtigste Grundparameter, damit man weiß, wo man beim Corporate Carbon Accounting letztendlich ansetzten kann.

Welche gängigen Standards und Rahmenwerke geben derzeit Orientierung und Handlungshilfen für Unternehmen? Und welche Entwicklungen können Sie feststellen?

Da würde ich als erstes mit dem Greenhouse Gas Protocol starten. Hier geht es um die Treibhausgasbilanzierung eines Unternehmens. Es bietet in Summe eine sehr gute Grundlage und dringt tief in die Detailebene ein.

Bei den Science Based Targets geht es wiederum um die Formulierung einer wissenschaftlich-fundierten Zielsetzung von Unternehmen. Der Zeithorizont läuft bis 2050 und es gibt eine klare Herangehensweise auf Basis von Short Term Targets und Long Term Targets, denen man sich unterwerfen muss. Hier geht es um absolute Emissionen und ein ehrliches Bemühen, den Ausstoß zu senken und Net-Zero bis 2050 zu erreichen.

Dann gibt es noch das CDP, ehemals „Carbon Disclosure Project. Es stellt eine Art Rating dar und ist sehr stark Investoren-getrieben. Hierbei werden im Wesentlichen börsennotierte Unternehmen angesprochen.

TCFD steht für die Task Force on Climate Related Financial Disclosures, welche die Klimarisiken messbar und monetär bewertbar macht. Das Herzstück der TCFD ist eine Szenarioanalyse auf Basis von Klimarisiken und -chancen. Das bedeutet, dass auf Basis von Szenarien, die vom Weltklimarat (IPCC) herausgegeben werden, eine monetäre Bewertung vorgenommen wird. Risiken und Chancen werden im Rahmen des Risikomanagements quantifiziert. Dann wird der finanzielle Impact auf die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung oder den Kapitalfluss eines Unternehmens betrachtet. Die Szenarioanalyse ist in England für börsennotierte Unternehmen schon verpflichtend. Wir wissen, dass die TCFD auch für die kommende Regulatorik zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, also der CSRD, eine Rolle spielen wird.

Darüber hinaus ist auch in der EU-Taxonomie-Verordnung eine physische Klimarisikoanlyse bereits integrierter Bestandteil. Ich bin sehr davon überzeugt, dass diese monetäre Bewertung eine große Auswirkung auf die Finanzberichterstattung haben wird. Damit wird auf die Unternehmen einiges zukommen.

Stichwort Klimaperformance und CO2-Accounting: Welche weiteren Beobachtungen können Sie von Ihrer Position aus bei EY mit uns teilen? 

Zunächst einmal können wir deutlich beobachten, dass der Druck auf Unternehmen steigt, was die Klimaperformance betrifft, da gerade in der EU die Klimaziele sehr ambitioniert sind, Stichwort „Fit für 55“ bis 2030 oder das 1,5 Grad Ziel bis 2050. Die TCFD Empfehlungen geben hier einen guten Rahmen für die Umsetzung und es deutet vieles darauf hin, dass dies in Zukunft verpflichtende Vorgaben werden. Man muss natürlich sehen, in welcher Geschwindigkeit und in welcher Tiefe dies geschieht. Aber Unternehmen sind gut beraten, sich schon jetzt auf den Weg zu machen. Dafür ist CO2-Accounting die grundlegende Basis. Es gibt natürlich Schwierigkeiten bei Scope 3, weil hier zum Teil noch die Datengrundlage fehlt. Daher ist die Aussagekraft vorerst zu hinterfragen. Aber auch dieser Bereich wird sich weiter professionalisieren.

Noch eine abschließende Frage: Was würden Sie Unternehmen im Hinblick auf ihre Emissionen empfehlen? 

Klimathemen müssen definitiv von einer finanziellen Perspektive aus betrachtet werden. Wir sehen und spüren derzeit, was es heißt, wenn Gas nicht mehr in der gewohnten Form verfügbar ist und die Preise steigen. CO2 wird definitiv ein Euro-Mascherl bekommen. Der Startschuss ist gesetzt und die Bepreisung wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. “Klima” muss also in der Unternehmensstrategie und Governance verankert werden. Unternehmen brauchen eindeutige Reduktionsziele und einen klaren Pfad in Richtung 1,5 Grad. Auch die zukünftigen Anforderungen hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung fordern eine klare Aussage durch die Unternehmen, die unter die Berichtspflicht fallen. Unternehmen sind also mehr denn je zum Handeln aufgefordert.

Herr Rogl, vielen Dank für das Interview und Ihr Mitwirken beim Projekt Nachhaltigkeits-Index.

 

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